Hallo Freunde !
Als ich letzte Woche beschaulich (und dann auch erfolgreich!) an einem herrlichen Frühlingsabend auf Schleien ansaß, kam in der Dämmerung, wo die Gedanken immer zu wandern beginnen, und auch beglückt über einen gelungenen schönen Fang, erinnerte ich mich an folgende lustige Begebenheit meiner Kindheit.
Ich hoffe, diese Geschichte wird Euch so gefallen wie auch frühere, und ich lade auch gerne die eher schreibfaulen Freunde ein, wenn es ihnen gefällt, ein kurzes kleines Statement abzugeben, würde mich sehr sehr freuen !
Nun denn:
Ich habe ja schon einige Male hier im Forum jene Stationärrolle erwähnt, die der Klassiker früherer Anglergenerationen war:
Die Trixi-Stationärrolle ist ein österreichisches Erzeugnis längst vergangener Jahrzehnte. Nach heutigen Begriffen sieht sie ziemlich klobig aus, aber sie war und ist für manche (zum Beispiel meine Wenigkeit) sogar noch die langlebigste und robusteste Rolle überhaupt.
Wobei ich jedesmal erstaunt noch bin, wie gut sich die Bremse einstellen läßt.
Als ich in Kinderjahren meine erste „Angel“ stolz mein eigen nannte, war dies eine kleine Vollglasrute mit einer Billig-Stationärrolle von Daiwa. Damit fing ich von einem Steg meine ersten Rotaugen, Rotfedern und kleinere Brassen.
Ein älterer Angler kam vorbei und schnarrte mich in der typisch bärbeißigen Art der damaligen Zeit an:
„mit dem Scheißdreck-Zeugl wirst nie an anständigen Fisch fangen, für an Kaaarpf braucht ma a Trixirolln und a 35er Perüü“
Und ich sah seine honiggelbe Hohlglasrute mit besagter Trixirolle.
Seitdem war mein einziger Wunsch, eine „Trixirolle mit 35er Perüü“ zu besitzen. Der heute von mir und manchen Fischern meiner Generation noch gebräuchliche Ausruck Perüü kommt von der damaligen Monofilschnurmarke „Peryl“ und egal ob es eine Schnur von einer anderen Firma wie Abulon, Damyl, Dederon, Platil, Tortue oder was war, jeder Wiener sagte zur Schnur „das Perüü“.
Zu einer Zeit, als ich noch halb „werdener Angler, halb spielendes Kind“ war, bestanden natürlich die wunderbaren Ferien und Wochenenden nicht nur aus meinen ersten zarten anglerischen Gehversuchen , sondern aus Völkerball, Abschießen, Räuber und Schandi, und bei Regenwetter Menschärgeredichnicht.
Uns Kindern wurde NIE FAD ! Wir brauchten keine Videospiele, keinen Fernseher , sondern nur flinke Beine, viel Phantasie und Unternehmungslust ! Nur eine Familie im Dorf hatte einen Fernseher und als die erste Mondlandung 1969 war, war bei der Fernsehbesitzerfamilie das ganze Dorf im Wohnzimmer versammelt.
Wir Kinder so im Alter zwischen 8 und 11 hatten als Lieblingsspiel das berühmte „Abschießen“, wo einer in der Mitte steht und die anderen müssen ihn treffen. Wahrscheinlich war dieses Spiel eine Sparversion von „Völkerball“, wenn man nicht die nötige Mannschaft beisammen hat.
Jedenfalls war der Hauptreiz dieses Spieles, sich durch diverse Finten wie Springen und Ducken oder gar den scharfen Ball abfangen möglichst lange „unabgeschossen“ im „Schussfeld“ zu bleiben.
Kindlicher Erfindungsgeist kennt keine Grenzen, und so beschränkte sich das „Abschießen“ (auch Ab-Werfen oder Ab-Schmeissen genannt damals) nicht nur auf den „Sport“, denn von unserer Phantasie beflügelt stellten wir uns vor, selber bedeutende Persönlichkeiten aus diversen exotischen Ländern zu sein, die hier einen internationalen Wettkampf mit hochwertigen Preisen abhalten.
„Sagen wir ich bin der Graf Kuno von Kummerbund aus Deutsch-Südwestafrika und Du bist der Herr Jupp van der Fiek von den Niederländischen Antillen und sagen wir wir machen ein Ländermatch und der der gewinnt bekommt einen Preis und sagen wir, er kann sich den Preis selber aussuchen und sagen wir, er bekommt dann den Preis……..“
So „erfanden“ wir für uns alle blumenreiche Namen, mit Provenienz aus Ländern, die wir am alten Schulatlas der Eltern in der Bibliothek in der „großen Stube“ entdeckt hatten und dann fand „das Ländermatch“ statt. Preisträger wurde der Bub oder das Mädchen, welches sich am längsten im Mittelfeld behaupten konnte, ohne abgeschossen zu werden, was wir mit einer Stoppuhr kontrollierten.
So kämpfte „Graf Hanno von Kummerbund aus Deutsch-Südwestafrika“ gegen „Herrn Jupp van der Fiek von den Niederländischen Antillen“, „Missis Sarah Hampstenewampston aus Britisch Kolumbien gegen „Missis Annette Van der Grotte aus Belgisch Kongo“ und so weiter und so weiter.
Der „Gewinner“ oder die „Gewinnerin“ konnte sich einen Preis wünschen, und auch das nur in der Phantasie, etwa „einen Porsche oder Jaguar, ein Haus am Meer, ein Schloss mit dutzenden Dienern, einen Privathubschrauber, einen Koffer voll Geld, usw usw……..
Der „Schiedsrichter“ fragte einfach den Gewinner nach dem Wunschpreis.
Und so ging es weiter ad infinitum, jeder Bub, jedes Mädchen kam dran, äußerte einen Wunsch, der „Schiedsrichter“ antwortete: „Klar, kein Problem, können wir organisieren, Applaus für den Sieger….“
Als ich „gewann“ und gefragt wurde, was ich mir als Hauptpreis wünsche, sagte ich nicht etwa Porsche oder Jaguar oder Hubschrauber oder Kaffeeplantage, sondern:
„A TRIXIROLL´N MIT AN 35er PERÜÜ“.
Kinder der damaligen Zeit waren sehr offen für alles, und die Tatsache, dass ich hier erst erklären musste, dass es sich um eine Angelrolle handelt, mit der man die ganz großen Fische fangen kann, machte mich nur interessanter, denn Fischen am See war fast ein Volkssport und Gruppenabenteuer, bei dem die ganze Kinderhorde ausrückte. Ein paar von den Burschen hatten je nach Großzügigkeit der Eltern eine Angel, sei es tatsächlich eine kleine Vollglasrute mit einer Rolle, sei es ein Bambusstecken mit einem Stück Schnur und einem Haken daran, andere wieder nur ein Schmetterlingsnetz, mit dem sie hinter den Elritzenschwärmen hinterherjagten. Vom Würmersuchen bis zum Kübel mit Wasser mit den gefangenen Elritzerln und Lauberln tragen war alles organisiert, und eine „wichtige“ Aufgabe war auch das kräftige Verarschen ortsunkundiger Touristen. Unsere Bestleistung in dieser Hinsicht war, als wir einmal einen auf Brot gefangenen fetten „Selbstmörderdöbel“ um 20 Schilling als „Forelle“ an einen unwissenden Piefke verkauften…….
Zurück zur „WM in der Disziplin Abschießen/Abschmeissen/Abwerfen“ und den Preisverleihungen:
Mein Spruch „a Trixirolln mit aan 35er Perüü“ machte Schule und fast jeder wünschte sich ab dem Zeitpunkt bei der Preisverleihung eben „a Trixirolln mit aaan 35er Perüü“.
Wir Kinder hatten aber eine besonders gute Eigenschaft, nämlich einen kollektiven väterlichen oder mütterlichen Beschützerinstinkt für die Kleinsten unter uns. Die Kleinste in unserer Runde war ein aufgewecktes vierjähriges Mäderln mit großen dunklen Augen und dunklem Haar, angezogen wie alle Mädchen egal ob Kleinkind oder Teenager im unverwüstlichen Alltagsdirndl. Lederhose bei den Buben, Dirndl bei den Mädchen. Bei kaltem und regnerischen Wetter (häufig im Salzkammergut) einfach mit dem berühmten „Wetterfleck“ aus Loden und den berühmten schwarzen Einheitsgummistiefeln“ kombiniert.
Diese Kleinste in unserer Runde war unser Maskottchen. Sie war bei allem, was wir taten dabei, und um sie nicht zu überfordern oder zu langweilen, mussten wir sie entsprechend in unsere Spiele einbinden und den Spielvorgang an sie „adaptieren“.
Beim „Abschießen“, wenn sie in der Mitte stand, warfen wir nur sanfte Bälle und eher über sie drüber, damit sie sich freut, dass wir sie nicht treffen, und wenn man selber in der Mitte stand, tat man gut daran, irgendwann einfach in den von ihr mit ihren linkischen kleinen Händen geworfenen Ball einfach hineinzurennen und zu sagen „ooooh jeee, jetzt bin ich getroffen worden“.
Als sie nun bei unserer WM an die Reihe kam, erklärten wir ihr:
„schau, wir sagen jetzt, Du bist die Prinzessin von Spanisch Sahara und kämpfst gegen die Contessa von Italienisch-Somaliland“
Die Kleine grinste ganz strahlend. Sie hatte soweit verstanden, dass sie jetzt eine Prinzessin ist und eine wichtige Rolle in unseren Spielen bekommen hat.
Und wir warfen und warfen, hoch über sie hinweg, mit Ausrufen wie „oh so ein Mist, wieder nicht getroffen, oooh, die kann man gar nicht treffen, die ist viiiiiel zu flink, und wenn sie trotz aller Behütungsmaßnahmen doch am Ball ankam und selber jammerte, sie sei jetzt doch getroffen worden, wurde ihr gleich versichert, dass dem nicht so sei, denn der Schuss war ein Foul, also gilt er nicht…….
Und dann Hurraa !!!!
Preisverleihung.
Unsere Siegerin ist unsere Prinzessin von Spanisch Sahara. Frau Prinzessin, was für einen Preis wünschen Sie sich ?
Und sie grinste ganz verschmitzt und begann sich herumzuwinden, so wie es oft kleine Kinder machen, wenn sie hart am nachdenken sind, und dann sagte sie:
„A DIXI LOLLE UND DREI, FÜNF PÜREE“ (Trixirolle und fünfunddreissiger Peryl !!!!!)
Noch heute, 50 Jahre später muss ich immer lachen, wenn ich in einem Anflug von Nostalgie meine altehrwürdige Trixirolle für einen Fischausflug mitnehme. Und Hand auf´s Herz: Für ufernahes Posenfischen ist sie mir in Kombination mit der ebenfalls hochbetagten gelben Hohlglasrute gerade in der Zeit des Hochfrühlings sehr gelegen, denn für leichte Matchruten ist der Wasserpflanzenwuchs schon zu stark, und für richtige Carp-Ruten und Rollen warte ich noch, bis wirkliches Starkfischen notwendig ist.
So erfüllt die „Dixi-Lolle mit dem Pürree“ (Trixirolle mit Peryl) nach wie vor immer wieder mal ihre Dienste und ist auf dem einen oder anderen Fangfoto von mir abgebildet.
Sollte ich jemals im wahren Leben Audienz bei der Prinzessin von Spanisch-Sahara bekommen, überreiche ich ihr als Gastgeschenk aus Österreich eine Trixirolle mit 35er Peryl, und eine Packung Dixi (Traubenzucker) und ein Packl Pürree, falls es Sprachbarrieren geben sollte, denn mein Spanisch-Sahara-hirisch ist nicht so perfekt und ihr Wienerisch wird auch nicht besser sein…….
Als Abschluss Stimmungsbilder:
2 Fangbilder mit der alten Trixirolle in action.
1 Reservetrixirolle, die ich wohl als Gastgeschenk für die Prinzessin von Spanisch-Sahara bei gewährter Audienz überreichen werde.
1 Dixi-Traubenzucker und 1 Pürree, falls es Verständigungsschwierigkeiten geben sollte.