Hallo Freunde !
Einige von Euch kennen ja mein Buch und die Geschichte "Der Berliner und die Forellen".
Der Held jener Geschichte ist mir im Laufe der Jahre mit seinem trockenen Humor und seiner schrulligen Art doch ziemlich an´s Herz gewachsen.
Wo sonst hätte ich auch gratis so eine 1A Milieustudie des Berliner Dialektes zu hören bekommen, also traf ich ihn wieder, nachdem er im Jahr zuvor sein anglerisches Debut mit dem Rausfangen von ausgebüchsten Besatzregenbogenforellen hinter sich gebracht hatte.
Er habe auch "brav seinen Schein gemacht" und fische in seiner Heimat am liebsten auf Aal, denn da muss man nich viel rumfummeln, hängste einfach ein Glöckchen dran und wenn´s bimmelt issn Aal dran und jibts "Aal in Dillsauce, lecker Mann das kann ick Dir sajen...."
Nun, ich schlug daher vor, wir mögen gemeinsam auf Aalrutten gehen. Mein Gedanke war, da kann man bequem zusammensitzen und plaudern.
Und das Allerwichtigste war der Fisch selber.
Ein raffinierter Meisterfischer war unser Held ja nicht, und seit der Fischkalter vor dem Seerestaurant rostsicher gemacht worden war, büchsten keine Trupps von Speiseforellen mehr aus, die eine leichte Beute hätten sein können, und für Seesaibling und Seeforelle reichte die Kunst unseres Helden entschieden nicht !
Aalrutten also.
Ich habe schon lange nicht mehr auf sie gefischt, und während sie früher oft als "Laichräuber" verdammt wurden, werden sie heute durch lange SChonzeiten zu Recht sehr geschützt.
Damals, und wohl auch heute noch, wo es erlaubt ist, galt folgender Grundsatz: Legt man einen schmackhaften Wurm auf Grund, so wird die Aalrutte nichts, aber auch gar nichts davon abhalten, sich diesen trotz des tückischen Hakens einzuverleiben. Keine dicken steifen Schnüre, keine plumpen klobigen Bleie, kein lautes Reden und Trampeln am Ufer, und schon gar nicht tapsige unbeholfene Angler.
Erfolg garantiert also.
So ließen wir uns an einer vielversprechenden Stelle bei einer Unterwassergeröllhalde nieder.
Der Berliner hatte das ideale Zielfischgerät: Nullachtfünfzehn Telerute, 40er Monofilschnur, 60 Gramm Laufblei, Haken Größe 1 und dicken Tauwurm.
Mein Gerät sah etwas subtiler aus. Leichteres Blei und besser abgestimmte Schnur-Vorfachkombination.
Das war aber alles völlig egal, denn jeder fingen wir bald je eine fangbare Aalrutte.
Entschneidert waren wir, also konnten wir uns ohne Fangdruck unterhalten.
Die Konversation, die sich dann abspielte, will ich Euch nicht vorenthalten.
Ich fragte ihn höflichkeitshalber, was sein Sohn so mache, der müsse ja etwa in meinem Alter sein.
"Hach der, nu den hab ick im Verkauf untergebracht"
Na, das ist doch schön, wenn er einen Job hat, meinte ich.
"Ja, aber stell Dir man vor, jetzt will er STUDIEREN. Haste Töne ?"
Ich erwiderte, dass doch ein Studium sicher förderlich sein könne für seinen weiteren Lebensweg.
"Papperlapapp, ick hab ihm jesacht: STUDIEREN WILLSTE ? nu sag ick Dir man wat: NUR ÜBER MEINE KNOCHEN"
Wieso denn das, wollte ich wissen.
Und da kam es: Im Verkauf hätte er ja ein Gehalt und davon könne er seinen Beitrag für Miete und Kost zahlen, wenn er studiere, würde er dem Vater wieder zur Last liegen.
Ich weiß nicht, was tatsächlich aus seinem Sohn geworden ist. Beneidet habe ich ihn allerdings nicht.
Aber der gute Berliner war ja zum Glück nicht mein Vater sondern nur mein Angelkumpel, und so wollte ich einfach weiter Schrulliges hören.
Was er denn sonst so für Fische fänge, fragte ich.
"Nu, Aale saachte ich bereits, aber sonst neee, also wenn sich so´n oller Blei (Brachsen) oder so ne olle Jeese (Nerfling) oder gar ne Pliete (Güster) reinhängt, so latsch ich damit rüber zu den Nachbarn, denn die sind Rentner".
Mir war der Zusammenhang zwischen Zwangsbeglückung der Nachbarn mit Weißfischen und dem Umstand, dass diese Rentner seien, nicht auf Anhieb ganz geläufig, und ich stellte eine entsprechende Frage.
"Junge, stell Dich man ein wenich auf die Seite, denn Du stehst auf der Leitung. Ick saachte die sind Rentner, sprich die haben jede Menge Zeit. Und wer Zeit hat, kann auch in den ganzen Gräten herumstochern".
Goldene Seele wahrhaftig.
Aber wie bereits gesagt: Ich hatte meine Gratisunterhaltung, denn so schrullige Aussagen bekommt man nicht jeden Tag zu hören.
Wir fingen dann auch noch schöne weitere Aalrutten, die ein hervorragendes Mahl abgaben. In Erinnerung ist mir noch die einmalige große Leber, fast so wie Hühnerleber.
Heute aber muss man sich um den Bestand dieses Fisches wegen Flussverbauungen schon Sorgen machen. Wo er allerdings noch häufig vorkommt, muss es eine absolute Bereicherung sein, zur Winterzeit auszurücken und diesen einzigartigen Süßwasservertreter der Dorschfamilie zu fangen.