"alte Eisen" neu entdeckt

  • Liebe Leute,


    da ich im Winter meist ein wenig meine Köderboxen durchkrame ist mir heute wieder mal ein wirkliches Schmankerl eines Kunstköders in die Hände gefallen ... der einst wichtigste Kunstköder mit europäischen Background feiert heuer seinen 200. Geburtstag ... ja richtig gelesen ... in Worten zweihundert Jahre !!


    die Rede ist vom sogenannten Devon-Spinner ... wie gesagt ... ist mir heute wieder in die Hände gefallen ... hab mir vor ca. 4 - 5 Jahren ein paar neu aufgelegte Exemplare dieser Weitwurf-Maschinen für die Jagd auf Schied im Donaustrom besorgt ... da ich heuer wieder meine alte Liebe, mein Stammrevier in Tulln befischen werde, wird dieser Spinner sicher auch wieder das eine oder andere mal zum Einsatz kommen ... wichtig bei solchen rotierenden Kunstködern ist die Verwendung von wirklich erstklassigen, leichtgängigen Wirbeln die man dem Spinner vorschaltet ... der Schnurdrall ist sonst immens ;):O


    hier die Exemplare die ich heute ausgegraben habe ... um ein Gefühl für die Größe zu bekommen ... der größere der drei Spinner hat eine Gesamtlänge von 12cm ... der Spindelkörper alleine misst 7cm ... Gewicht 26g




    und hier noch eine besonders empfehlenswerte Lektüre zu diesem europäischen Kunstköder ... spannend zu lesen der ganze geschichtliche Hintergrund ... der Artikel ist mittlerweile auch schon 11 Jahre alt und wurde von Thomas Kalweit veröffentlicht ... siehe Quellenhinweis am Ende des Artikels

    DER ENGEL AUS EXETER

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    Nebel liegt über dem südwestlichen Zipfel Englands. In Exeter, der Hauptstadt der Grafschaft Devon, lötet ein gewisser F. Angel 2 Propellerflügel an ein Röhrchen aus dünnem Blech. Angel bedeutet Engel, und so sieht auch seine Köder-Erfindung aus. Er betrachtet sein funkelndes Meisterwerk gegen das flackernde Kerzenlicht: Mit den gespreizten Schwingen erinnert es ihn an die himmlischen Wesen.

    Um 1820 hatte der Angelgeräte-Händler Angel den ersten Devon-Spinner der Welt konstruiert. Er rühmte sich aber nie, der Erfinder dieses Köders zu sein, noch hat er ein Patent darauf angemeldet. Möglicherweise geht seine Entwicklung auf den „Kill-Devil“ zurück, ein noch älteres Ködermodell aus Stoff mit schlabberigen Flossen, das um 1770 in Plymouth, natürlich in Devon, entwickelt wurde. Angels Köder war schwerer und ging selbst in starker Strömung auf Tiefe, außerdem ließ er sich hervorragend werfen. Die starren Propellerflossen sorgten für ein lockendes Rotieren.


    Devon-Spinner
    Fischschonende Devon-Spinner von Hardy aus der Vorkriegszeit: Sie kamen mit nur einem Drilling aus.


    Die ersten „Angels“ waren noch aus dünnem Blech zusammengelötet. Sie waren „ziemlich empfindliche Geschöpfe, nicht stark genug, um dem Verschleiß in reißenden und steinigen Flüssen zu widerstehen“, verriet der Angel-Autor A. Courtney Williams 1945. Mit 4 Drillingen an kleinen Seitenarmen verwerteten die wehrhaften Fischfänger jeden noch so zaghaften Zupfer. In alter Angelliteratur taucht der Devon-Spinner bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entweder als „Angel“ oder als „Totnes Minnow“ auf. Später wurde daraus der „Angel-Devon“. Heutzutage ist er uns nur noch als Devon-Spinner bekannt.

    Angels Köder wurden schnell so populär, dass er sogar seinen Bruder anstellen musste. Dieser führte einen Angelladen im Nachbarstädtchen Totnes. Auch nahm F. Angel Dr. Fisher aus Walreddon Manor in Totnes mit ins Boot. Alle 3 arbeiteten 50 Jahre zusammen, um den Angel zu perfektionieren.



    DAM-Devon
    Natürlich hatte auch die „Deutsche Angelgeräte Manufaktur“ Devons im Angebot.


    Fishers Idee war es, den Köder aus nur einem Metallblock herauszuarbeiten. So war erstmals eine akkurate ovale Körperform möglich, auch konnte so das Gewicht der Köder deutlich erhöht werden. Die Firma verriet damals, dass „sie per Hand ausgebohrt und geschlitzt wurden, eine ermüdende und schwierige Arbeit, bei der durchaus 50 Prozent Ausschuss anfielen.“

    Erst später wurden sie aus Metall gegossen. Diese Idee kam wohl W. Cuming, ein weiterer Angelgerätehändler aus Totnes, der Angel lange Jahre unterstützte. Cuming war handwerklich sehr begabt und stellte über lange Zeit die Werkzeuge und Gussformen für die Angels her. Erst in späteren Jahren produzierte er auf eigene Faust Devon-Spinner, vor allem aus Messing. Auch heute tauchen hin und wieder Köder auf, die seinen Namen tragen. 1883 gab er sein Geschäft auf und wanderte nach Neuseeland aus. Ein weiterer früher Hersteller von Devons war Rowe aus Barnstaple, einer der ältesten englischen Gerätehersteller, der ab 1840 Köder dieser Art produzierte.


    Tödlich fängig


    Vor einiger Zeit tauchte ein uraltes Werbeblättchen der Firma E.F. Prickman aus den 1880er Jahren auf. Der Schuhsohlen-Hersteller aus der North Street 12 in Exeter rühmte sich, der einzige Lieferant der echten Angels zu sein, er hatte wohl alle Rechte von F. Angel übernommen: „Nur echt mit dem registrierten Handelszeichen ‚Angel Totnes’, eingestanzt auf den Flügeln.“ Nur seine „Engel“ hatten auf der Internationalen Fischereiausstellung 1883 in London Diplom und Medaille verliehen bekommen, „die höchste Auszeichnung für Spinnköder“. Prickman schrieb: „Von jedem imitiert, aber nie erreicht, das original Angel- oder Totnes-Fischchen ist noch immer der führende Spinnköder in unserem Land. Viele andere Modelle wurden in der Zwischenzeit entwickelt und wieder vergessen. Die Verkaufszahlen unseres Köders steigen ständig, was seine tödliche Fängigkeit beweist.“



    Slotted Devons
    So genannte „Slotted Devons“ mit Schlitz: Hier hat der Fisch keine Chance.


    Am 7. April 1881 erhielt Prickman eine Kundenzuschrift aus dem irischen Tipperary. Ein gewisser Captain Palliser lobte seine „besten Spinnköder auf Forelle und Lachs“: „In vielen Angelläden werden ähnliche Metallköder angeboten, die für das unerfahrene Auge wie ein Totnes-Fischchen aussehen. Aber jeder, der schon einmal mit dem Originalköder gefischt hat, kennt den Unterschied. Es ist die Form und der richtige Winkel der Brustflossen, deren Entwicklung dem alten Mr. Angel, dem Erfinder, so viel Zeit und Mühe gekostet hat, wie er mir einmal verriet.“


    König der Köder


    Vor allem bei Lachsanglern war der Devon beliebt – immer dann, wenn die Fliege bei steigendem und trübem Wasser versagte. Mit den kleineren Modellen fischte man im Fluss auf Forellen, die Riesen-Devons kamen auf Hecht und sogar in Indien auf Mahseer zum Einsatz. Der Devon ist zweifellos einer der erfolgreichsten Ködertypen aller Zeiten. Kein Modell hat eine so lange Zeit unverändert überdauert. Über hundert Jahre lang war er der wichtigste Kunstköder Europas, und bis heute wird er noch von Lachsanglern gefischt.



    Devon-Spinner


    Auch in Deutschland fand der Devon-Spinner seine Liebhaber. Der Münchener Angelgerätehersteller H. Stork schrieb schon 1898: „Der Devon-Spinner zählt zu den ältesten englischen Metallspinnern. Ich erinnere mich, denselben bereits vor 30 Jahren gesehen zu haben, und er erfreut sich noch heute, und das nicht mit Unrecht, der Gunst manches Anhängers in Angelsportkreisen. Tatsächlich arbeitet derselbe gut im Wasser, besonders in starker Strömung. Zuweilen lässt ihn der Fischer ganz auf den Grund und ruckt ihn langsam vorwärts, ähnlich dem Lauf einer Mühlkoppe oder der Bachgrundel, welche er imitieren soll.“


    Das Problem des rotierenden Köders: Er verdrallte die Schnur, gute Wirbel waren Pflicht. Hersteller wie Hardy kamen auf eine andere Lösung, sie verkauften links- und rechtsdrehende Modelle. Der Angler musste den Köder nur alle 10 Minuten wechseln, dann hatte er mit Drall und Perücken kein Problem.


    Anfangs strotzten die Devons nur so vor Haken an kleinen Seitenarmen, mit dem Ergebnis, dass der Köder sich beim Absinken ständig mit der Hauptschnur oder dem Vorfach verhakte. Auch wurde den Fischen beim Biss regelrecht das Maul vernagelt, arge Probleme beim Hakenlösen waren die Folge. Die späteren Devon-Modelle brauchten an der Seite keinen Schlitz mehr, um Platz für die ganzen Seitenarme mit Haken zu schaffen. Sie kamen nur noch mit einem fischschonenden Enddrilling aus. Heute werden auch Devons aus Holz oder Kunststoff hergestellt, um oberflächennah oder in flachen Gewässern fischen zu können.


    „Es wäre in der Tat interessant zu wissen, wie viele Lachse, Forellen, Hechte und andere Fische in den letzten hundert Jahren ein Opfer des äußerst vorzüglichen Devons geworden sind. Die Zahl der Todesopfer, die auf die Engel hereingefallen sind, muss in die Hundertausende gehen, und der Köder ist heute wohl noch genauso populär wie früher“, schrieb A. Courtney Williams noch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.


    In jüngster Zeit sinkt der Stern des Devon-Spinners, zu groß ist die weltweite Kunstköder-Konkurrenz. Nur noch in den Lachs-Hochburgen Irland und Schottland hat er seinen festen Platz im Regal der Angelläden. Bei uns ist er heutzutage kaum noch zu finden. Dabei wäre er vielleicht der perfekte Geheimköder auf Rapfen oder kapitale Bachforellen.



    Quelle: raubfisch.de

    Autor: Thomas Kalweit

    LG
    Reinhard


    "Wenn der Lebensraum ausreichend ist, dann wächst jedes Jahr zu, und wenn man das mäßig und bescheiden nutzen will, dann reicht das."


    Stefan Guttmann

  • Vielen Dank für´s Reinstellen. Ich hatte in den 70ern noch einen Devon in meinem Sortiment, der wurde von der damals existierenden Firma AHO (Holub, Wien) erzeugt, von wo auch die legendäre "Trixirolle" stammt.

    Die erzeugten sehr gute Blinker, von denen ich einige noch immer im Einsatz habe, aber den Devon mochte ich irgendwie nicht. Für meine Art Fischerei, also Spinnen vornehmlich in pflanzenreicheren Altarmen, ist er nicht geeignet, weil er zu schwer ist und im stehenden Wasser zu schnell geführt werden müsste.

    Außerdem sah er für mich schon damals als Jungangler, ohne dass ich ihn probiert hätte, verdächtig nach "Drall" aus.

    Es gab auch von anderen Firmen wie von DAM gewisse Metallköder, die ein bisschen vom Devon inspiriert waren und glaube ich "Turbinenfischchen" oder so hießen.


    Es ist schon erstaunlich, wie in der heutigen modernen Zeit immer wieder Reminiszenzen über so alte Sachen veröffentlicht werden.

    Ich besitze ein äußerst umfangreiches Buch über die ganze Geschichte des Spinnfischens von praktisch von der "Eiszeit" bis in´s digitale Zeitalter, allerdings leider auf rumänisch. Mălin Mușatescu "Odiseea Pescarului Digital" (Odyssee des digitalen Fischers), wo in den ersten 100 Seiten des über 400 Seiten messenden Werkes bis in´s kleinste Detail die ganzen Entwicklungen von Spinnködern, Rollen und Rute beschrieben wird. Das Buch war daher auch für mich als Sprachkundiger ein bissl anstrengend zu lesen, sodass ich manches eher "überflogen" hatte. Das ist schon kein Fischbuch mehr, das ist fast eine akribische Doktorarbeit.

  • Super Beitrag, vielen Dank fürs einstellen Reinhard, ich hatte auch einen von meinem Opa in der Kiste, habe dem Teil leider nie vertraut und deswegen nicht ausprobiert, rückblickend eigentlich Schade?(

    "If I'm not going to catch anything, then I 'd rather not catch anything on flies"

    -Bob Lawless

  • 200 Jahre ist schon eine Ansage. Die Brummer sehen eh nach "Kriegsgerät" aus, speziell die mit den gefühlten 10 Drillingen drauf. :D

    Ich kannte den Köder, hab ihn aber noch nie besessen / geworfen. Muss wie du sagst ein echte Weitflug-Künstler sein.

    Auf jeden Fall einen Test wert, und Danke dir für den tollen Beitrag.

  • .... Muss wie du sagst ein echte Weitflug-Künstler sein.

    ja das stimmt ... die Donau bei Tulln ist ja kein Rinnsal ... schätze wird an die 300m breit sein ... mit der richtigen Rute/Rollen Kombination und einer halbwegs guten Wurftechnik bringst die Teile sicher an die gute 100-120m raus


    wichtig beim fischen auf Schied direkt im Strom ist eine Rolle mit hoher Übersetzung ... den Köder rauspfeffern und kurbeln was das Zeug hält ... es gibt kein "zu langsam" ... wenn dann der Einschlag von einem guten Donau-Schied kommt "schei***t" du dich fast an 8|:lach:


    unbeschreiblich brutal diese Attacken ... deshalb auch auf wirklich scharfe und stabile Haken/Drillinge achten ! ... die Drillinge von meinen Devon's werde ich auch wieder wechseln ... sieht man eh auf dem Foto, dass die nicht mehr die Besten sind :O

    LG
    Reinhard


    "Wenn der Lebensraum ausreichend ist, dann wächst jedes Jahr zu, und wenn man das mäßig und bescheiden nutzen will, dann reicht das."


    Stefan Guttmann

  • Ich habe kein geeignetes Rapfenwasser, das heißt in der Krautlacke schwammen mal oder schwimmen noch immer ein paar herum und einen wirklich großen konnte ich mal vor Jahren fangen. Da dachte ich auch vom Biss her "Monsterhecht" und wunderte mich dann nur darüber, dass der Drill ganz anders war. Kämpfte hart, aber nur im Freien Wasser, und ganz anders als ein Hecht.

    Schließlich freute ich mich über meinen ersten und leider einzigen "Raap".

    Da mir Spinnfischen in der Donau nicht so zusagen würde (zu groß für mich), wird es wohl bei diesem einzigen Rapfen aus der Krautlacke bleiben.


    Schade, dass ich den Fisch in den 70er und 80er Jahren, als er noch ziemlich häufig in der Krautlacke war (die damals noch nicht so verkrautet war), damals noch nicht schätzte. Damals ging´s nur ums Fleischfischen und ich sagte Hecht/Zander als Edelfisch ja, aber Raap, nöööö zu viele Gräten.


    Was aber damals schon als absoluter Topköder für Rapfen beschrieben wurde, war das ungarische "Rapfenblei", ein länglicher Bleikörper mit Öse vorne und hinten, wo eben hinten mit Sprengring ein Drilling eingehängt wird.

    Der Trick bei diesem Rapfenblei (ungarisch: balinzó olom) ist jener, dass dieses Blei ebenfall sehr weit geworfen werden kann, nicht drallt (im Gegensatz zum Devon) und hinter der verdickten Hinterseite beim sehr schnellen Einholen eine kleine Luftblase bildet, die angeblich der absolute Reizeffekt für den Rapfen ist.

    Es gibt inzwischen auch eine modernere Version mit zylindrischem an zwei seiten abgeflachten Blei.

    Die Originalform ist allerdings diese etwas "unsymmetrische" Bleiolive.

    Die Ungarn streichen dieses Rapfenblei oft auch so orange an, was die Fängigkeit noch erhöhen soll.

  • Sehr feine Vorstellung - die Teile sehe ich zum ersten Mal =O


    Ja warum nicht, was früher eine Waffe war, wird es heute wieder (oder mitunter sogar umso mehr) sein. Bin echt gespannt was du da raushaust.... womöglich ergibt sich ja die Möglichkeit die Teile in Natura zu sehen §!