Der Albtraum jedes Rutenbauers

  • Hallo Freunde !


    Nachdem ich so oft schon die wahren Kunstwerke, allen voran von unserem lieben Peter bewundern konnte und sehe, mit welcher Liebe zum Detail da gearbeitet wird, fiel mir eine Erinnerung meiner Jugend ein, die wohl das genaue Gegenteil beschreibt.


    Als fast schon eine Art Lokalmatador der tiefen Alpenseen des steirischen Salzkammergut stellte ich in meiner Jugend dort nach bestem Wissen und Kräften den ansässigen Salmoniden, schönen großen Forellen, die an die irischen "Browntrouts" erinnerten, und orange/rosabäuchigen etwas glotzäugigen Seesaiblingen nach.


    Gelernt hatte ich diese Kunst in erster Linie von meinem Mentor, genannt "Schoaß-Anzünder", einem hageren recht wilden Gesellen mit von Wind und Wetter zerfurchtem Gesicht und recht rauher alpenländischer Diktion.


    Seine Spinnrute war irgendein uralter Vollglas-Stecken mit einer alten Aldora-Rolle, deren Rücklaufsperre nicht mehr funktionierte.


    Die von diesem "Schoaß-Anzünder" quasi erfundene Methode des erfolgreichen Salmonidenfischens mitten auf den Weiten des großen Sees war schon ein Unikat für sich: Notwendig waren dafür zwei, einer der fischt und einer der rudert. Der Rudersklave startete los und der Meister warf seine tote Elritze am Tirolerhaken (Bleikopf mit Stiel und großem Einzelhake ) aus und ließ etwa 30-40 m Schnur raus. Dann wurde die Rute mit dem Griffende in die Hüfte gestützt und nach hinten gestreckt und mit einem Mords-Ruck nach vorne gerissen, wieder nach hintengestreckt und wieder "zack" nach vorne gerissen.
    Der Grund war, dass die Elritze am Spinnsystem in einer hebend-senkenden Weise durch das Wasser gleiten sollte, und da es damals noch keine geflochtene Schnur gab, und die Entfernung vom Boot bis zum Spinnköder weit war, musste so angerissen werden, damit die Bewegung überhaupt bis zum Köder übertragen wird.
    Spürte man einen starken Widerstand, hatte eine Forelle gepackt und konnte gedrillt werden, was kein aufregendes Unterfangen war mit Vollglasrute und 40er Peryl.
    Der Rudersklave ruderte eine Länge lang den See vom Anfang bis zum hinteren Ende, dann wurde getauscht.
    Irgendwann einmal zerschellte dem Schoaß-Anzünder seine Rute auf den Felsen, oder er war im Rausch draufgetreten.
    Jedenfalls, er wußte sich zu helfen.
    Am nächsten Tag trafen wir uns wieder, und er hatte seine Rute repariert:
    Und nun der Albdraum für potentielle Rutenbauer/restaurierer:


    Er legte einfach die abgebrochenen Teil nebeneinander so dass ca. 10-20 cm darüberstanden, und umwickelte das ganze erst mit wasserdichtem Isolierband, danach trug er Uhu-Alleskleber auf und umwickelte es nochmals als Verstärkung mit einem dünnen Spagat, und trug noch eine Schicht Uhu-Kleber drüber auf, damit sich der Spagat auch nicht auflöst.
    Die Rute war nun ein Stück kürzer und sah ein bisschen aus wie wenn eine Schlange gerade eine Ratte verdaut, aber er fischte und fischte weiter damit bis zum Ende seiner Tage........

  • Zitat

    Original von Lupus
    Die Rute war nun ein Stück kürzer und sah ein bisschen aus wie wenn eine Schlange gerade eine Ratte verdaut, aber er fischte und fischte weiter damit bis zum Ende seiner Tage........


    :lach: :lach:


    Sehr schönes Geschichtl Gerhard und danke für das Lächeln, was Du mir heute gebracht hast !!

  • Ein Prakmatiker halt...weltklasse Geschichte.. bei mir am Gewässer angelt einer mit ca 30 Jahre alten zusammengeflickten Ruten und einer uraltrolle...glaublich zusammengeflickt mit verschiedenen Komponenten....und er fängt mind. Genauso wie wir mit top moderner Ausrüstung.....das lässt einem nachdenken....

  • Ich hab von dem Helden meiner frühen Jugend auch noch ein nettes Bildchen gefunden. Hier allerdings nicht mit der zusammengeflickten Rute, sondern mit der "Schlepprolle", das ist eine Felge von einem Kinderfahrrad, auf eine Zwinge aufgeschweißt und am Rand von seinem windschiefen Schninakl montiert. Und der schöne Rücken, der auch entzücken kann, ist meiner :lach:

  • Und ich als "Klein Lupus" als der junge Adler schon langsam das Nest verließ. Also von einem anderen gleichaltrigen Halbstarken aufgenommen.
    Man beachte meinen Hut, mein früh entflammtes Laster für den blauen Dunst, damals noch "Austria 3", und die rote Vollglasrute.

  • :lach: :lach: ... ich kann nicht mehr !!!!


    Danke lieber Gerhard für diese Anektote aus deiner Jugendzeit ... diese Gschichten habe ich schon vermisst ... der "Schoaßanzünder" und seine Rutenreparatur §$


    @Peter: ich habe gerade den Bernhard sein Gesicht vor Augen wenn du ihm seine "Mur" mit Spagat reparierten Spitzel wieder nach Styria zurückgeschickt hättest :D


    @Gerhard: das Foto mit der 3er und dem Hut erinnert mich an eine Musiknummer aus den frühen Siebzigern vom Georg (Schurl) Danzer ... Gott hab ihn seelig §!


    da Tschik


    JhWKMzlzPxw

    LG
    Reinhard


    "Wenn der Lebensraum ausreichend ist, dann wächst jedes Jahr zu, und wenn man das mäßig und bescheiden nutzen will, dann reicht das."


    Stefan Guttmann

  • Zitat

    Original von dryfly
    Hahahaha..... und ich scheiß mir da immer extrem viel an, bei einer Reparatur. Vielleicht sollte ich das auch einmal ausprobieren.


    Ich brich nieder :lach:
    Man stelle sich das vor. Der pragmatische Lupus, der immer für schnelle einfache Lösungen ist, inspiriert den Meister der Liebe zum Detail zur schnellen, und aufgrund der kurzen Werkzeit kundenfreundlichen Reparaturlösung :lach:
    Und ja, das Gesicht vom Bernhard kann ich mir auch gut vorstellen. DA er irgendwie der abenteuerlichste und waghalsigste ist, wird er vielleicht eh irgendwann der erste Kandidat sein. Denn ich erinnere mich an einen Fischtag mit ihm an der W. +S., wo ich so nett und bescheiden in den ruhigen Zügen stand und Äsche um Äsche fing, und er sich in die Schlucht abseilte, und irgendwann klitschnass, mit zerrissener WAthose und zerrissener Fliegenweste, klitschnass und mit einigen Blessuren zurückkam, als ich gerade wieder eine graue Eminenz drillte, und einen lauten Juchzer tat und sagte "Nass war´s, kalt war´s , niederg´haut hat´s mich, einig´falln bin i, aber HERRLICH war´s , a sooooooo a Bachforööön, Waaaahnsinn!


    Reinhard: Echt wahr das mit dem Bild vom Danzer. Und ja, bei mir war das auch 1974. Nicht dass ich es jetzt vom Danzer abgeschaut habe, weil meine Herr´n der Musik waren Miles, Herbie Hancock, Charles Mingus, aber ich glaub die Leut´die sich dieses heavy Zeugs angehört haben, haben eben auch viele so ausgeschaut, und so sah ich eben auch so aus. Ein paar bei uns in der Klasse waren eben die Schlimmen....., meine Eltern hätten sicher lieber einen Sprössling gehabt, der adrett angezogen ist, und mit zivilisierten Sprösslingen aus gutem Haus nach einer Kaffee- und Kuchenjause Streichquartette fiedelt...... :lach:


    Aber mein Respekt für die ältere Generation war für so einen jungen z´rissenen langhaarigen schon gewaltig !
    Das sieht man ja an meiner Verehrung für den Schoaßanzünder, der mir all die Dinge, die das Kind vom klugen reifen Mann trennen, beigebracht hat: Wild auf Ausseerisch fluchen, Dreier rauchen, Bier saufen, und vor allem Fischen !