Der Carpfishing-Autor

  • Hallo Freunde !


    Unlängst kam mir etwas in Erinnerung, was mir @Ercan einmal erzählt hat, nämlich dass die Angler in der Türkei in einem etwas witzigen Türk-Englisch das Karpfenfischen des Boilie-Zeitalter als "New School Carphunting" oder "New Style Carpfishing" oder so ähnlich nennen.


    Ich bin ja irgendwann mit der Zeit stehen geblieben und wenn ich mich zu einem Ansitz entschließe, möchte ich "so wie damals" auf den Stoppel oder das weiße Litzendraht-Bissanzeiger-Ringerl schauen.


    Aber zu einer Zeit, als Oldschool noch "New School" war, also in der ersten Hälfte der 70er Jahre, war ich ein begeisterter New-Schooler und der letzte Schrei damals war die von England kommende freie Leine, also nur Schnur, Haken und Köder unbeschwert und offener Rollenbügel für den "Run" des beissenden Karpfens...…..


    Und die zweite Methode war dann die von Rudolf Sack (Angelbuch "Biss auf Biss" ) propagierte Lift-Methode, also mit dem letzten Bleikugerl knapp vor dem Haken und wo sich die "Lift-Pose" dann schön hebt, wenn der Karpfen das Maiskörndl nimmt.


    Und kaum hatte ich meine ersten wenigen Karpfen überlistet, fühlte ich mich schon als "alter Hase" und besah mich würdig, meine Erfahrungen zu publizieren.


    Damals gab es eigentlich nur eine repräsentative Angel-Fachzeitschrift, und das war "Fisch und Fang".


    Mein Wunsch war, auch einmal unter die Schreiber jener Zeitschrift zu kommen. Und das war damals noch einfach. Ich schrieb also brav in Schüler-Handschrift einen "Aufsatz" über eines meiner ersten Karpfen-Abenteuer, wo ich im Urlaub schon alleine um 4 Uhr früh aufstehen durfte und die in der Urlaubswoche angefütterte Stelle befischen durfte, bis tatsächlich ein 4pfündiger Spiegelkarpfen meinen Teigköder inhalierte. Die Schnur lief von der Rolle, der Anschlag saß, und nach einem Drill, der mir gewaltige Herzklopfen verursachte, nannte ich meinen ersten Karpfen mein Eigen.


    Und schon sah ich mich als Karpfen-Spezialist. Meine Zeit war gekommen. Nicht nur die berühmten, damals hochaktuellen britischen Autoren wie Richard Walker, Fred Taylor und James Gibbinson können über das Karpfenangeln schreiben, sondern jetzt, wo "das Eis gebrochen ist", kann das Klein-Gerhard auch.


    Wie gesagt, ich nahm ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber, schrieb eine Seite "Aufsatz" über mein kleines Karpfenerlebnis, steckte das Ganze in ein Kuvert, schrieb die Adresse vom Hamburger Paul-Parey-Verlag aus dem Impressum von Fisch und Fang drauf, stahl aus dem Briefmarkenvorrat meiner Mutter eine Briefmarke, und warf das Kuvert ins Postkastl.


    Ach ja, und meinen "Wunderköder", den letzten Schrei der damaligen Zeit unter den österreichischen Karpfenfischern, den berühmten "Polentateig" erwähnte ich auch als "besonders gut duftenden Karpfenköder".


    Nach einigen Wochen kam ein ganz berührender Brief vom damaligen Chef-Redakteur von Fisch-und Fang, Herrn Georg Peinemann:


    "Lieber Gerhard !

    Sehr haben wir uns über Dein kleines Erlebnis Karpfenfischen gefreut und gerne wollen wir es bei Gelegenheit in Fisch-und Fang veröffentlichen !

    Liebe Grüße

    Georg Peinemann.


    Und tatsächlich, nach einigen Monaten erschien mein Artikel, dem sie den Titel "Karpfenfischen ist nicht fad" gegeben hatten. Und als nächstes bekam ich ein Kuvert mit einem 10 D-Mark Schein, mein "Honorar" für meine "Autorentätigkeit" 8).


    Die Geschichte ist allerdings noch nicht ganz zu Ende. Einige Wochen später bekam ich auf einmal Post von einem unbekannten Absender aus Saarbrücken.

    In etwas zittriger Greisen-Handschrift stand da geschrieben:


    Lieber Gerhard, ich bekam Deine Adresse von der Redaktion von Fisch und Fang ! Ich bin schon 77 Jahre alt und freue mich noch immer, wenn eine Karpfen anbeißt. Aber würdest Du mir bitte Dein kleines Geheimnis, den "Polentateig" verraten und wie Du es machst, dass er nicht vom Haken abfällt? Denn: "Ist man so alt wie eine Kuh., lernt man immer noch dazu".


    Unvorstellbar in der heutigen Zeit des Datenschutzes, aber so hatte es damals tatsächlich funktioniert, dass sich der alte Herr bei der Redaktion nach meinen Daten erkundigte und mir persönlich schrieb.

    Ich fühlte mich aber auch sehr geehrt und sah mich als wahrer Karpfen-Autor nach britischem Vorbild bestätigt und schrieb ihm zurück mit dem Rezept für Polentateig. Ich habe schon lange keinen mehr gemacht, aber ich glaube, der Trick dabei war, dass man etwa 200 g Maisgries mit 50 g Weizenmehl vermischte und dann in wenig kochendem Wasser verrührte und ordentlich durchknetete. Das Mehl verhinderte, dass der Teig zu bröselig wurde.


    Leider habe ich das Heft mit dem Artikel nicht mehr. Aber in Erinnerung ist mir das kleine Erlebnis doch geblieben.

  • Hallo gerhard


    Vielen Dank für den literarischen Ausflug in deine Jugend, die selben Probleme wie der alte Herr hatte ich auch mit der Polenta.

    Das Rezept hätte ich vor 40 Jahren gebraucht;);)

    "If I'm not going to catch anything, then I 'd rather not catch anything on flies"

    -Bob Lawless

  • Danke für diese tolle Geschichte!

    Das kann ich sehr, sehr gut nachempfinden, auch ich wurde gerade noch in der briefschreibenden Zeit groß und da war einfach das gedruckte Wort noch "was wert" (mit allen Vor- und Nachteilen natürlich) und sehnlichst wartete man auf Briefantworten und dergleichen. Ein ganz anderes Gefühl.

    Speziell wenn ich heute Kurznachrichten empfange und die sind mehr oder weniger meistens Informations-Absauger, also alles ohne "Hallo wie geht's" usw., denk ich manchmal an diese Zeit zurück und möchte ganz gern das Digitale links liegen lassen.

    Deswegen kommen uns ja Foren wie dieses so entgegen, hier verbinden sich die Vorteile aus beiden Zeitaltern. §!


    Auf jeden Fall sehr schön dass du in zweierlei Hinsicht Antwort erhalten hast und sogar ein Honorar. Ich kann mir das stolze Gerhardlein richtig gut vorstellen. :)

    Das Rezept ist somit auch "verewigt". g:-

  • In der heutigen technologischen Zeit vergisst man ganz wie es früher war.... Ich bin eigentlich so in der "Mitte" gross geworden. Bei meiner Jugend ist das Internet so richtig gross geworden....


    Danke dir Gerhard für diese amüsante Geschichte §!

  • Lieber Gerhard,


    danke für den Ausflug in die damalige Zeit, das eine oder andere hab ich selbst auch noch so praktiziert.

    Was ich allerdings sagen kann, ist, dass man mit der Zeit gehen muss, um kontinuierlich richtig erfolgreich zu sein. Man muss schon heutzutage bei den ganzen C&R Lacken wo die Fische mehr und mehr dazulernen mit allen Wassern gewaschen sein, um wirklich erfolgreich zu sein. Richtig merken wirst du es bei einem Head to Head Fischen, muss nicht unbedingt ein Wettkampf sein. Wenn Angler A ungemein mehr wie Angler B bei scheinbar gleichen/ähnlichen Verhältnissen fängt, so wird Angler A wohl deutlich etwas besser machen als Angler B. Sei es Duftstoff, Distanz, Montage, Schnurstärke oder die Köderwahl, es muss alles passen ;)

    Soll jetzt nicht heißen, dass die alte Schule schlecht war/ist, ganz im Gegenteil.... oft bringen genau eben diese Methoden den Erfolg weil es bei vielen in Vergessenheit geraten ist.

    Bei Großkarpfen die schon richtig alt und schlau sind, wird dann nochmal ein anderes Kapitel aufgeschlagen ;)

  • Da hast Du natürlich recht, Toni, und mein Geschichtchen soll auch nicht in irgendeiner Weise eine Präferenz für Oldschool heraufbeschwören, es ist eben aus einer Zeit, wo freie Leine ohne Blei und Pose der neueste Schrei aus GB war.

    Aber interessant ist zumindest, dass manchmal, wenn die abgefeimten Großkarpfen diesen alten Hut gar nicht mehr kennen, eine dicke Kartoffel an der freien Leine Wunder bewirken kann.

    Ich glaube, es gab oder gibt sogar in neuerer Zeit einen britischen Carp-Hunter, der eigentlich noch recht jung (im Verhältnis zu mir) sein muss, der das hin und wieder praktiziert, Chris Yates heißt er glaube ich......

  • Da hast Du natürlich recht, Toni, und mein Geschichtchen soll auch nicht in irgendeiner Weise eine Präferenz für Oldschool heraufbeschwören, es ist eben aus einer Zeit, wo freie Leine ohne Blei und Pose der neueste Schrei aus GB war.

    Aber interessant ist zumindest, dass manchmal, wenn die abgefeimten Großkarpfen diesen alten Hut gar nicht mehr kennen, eine dicke Kartoffel an der freien Leine Wunder bewirken kann.

    Ich glaube, es gab oder gibt sogar in neuerer Zeit einen britischen Carp-Hunter, der eigentlich noch recht jung (im Verhältnis zu mir) sein muss, der das hin und wieder praktiziert, Chris Yates heißt er glaube ich......

    Auf jeden Fall Gerhard! Wie gesagt, kommt halt auch immer auf die Situation an....


    Kleines Beispiel: Bei einem Wettkampf an einem kleinen Teich sind die Karpfen schon zig Male mit Teig gefangen worden. Normal hängst ein "Kugerl" dran und die nehmen das... meistens nicht so dort. Da muss man schon improvisieren und mal kleiner werden oder den Teig flach wie eine Münze präsentieren, damit du die "Maturanten" überlisten kannst. Normalerweise ist dort Grundfischen verboten, doch bei einem unlängst durchgeführten Firmenfischen wo ich teilnahm, durfte auch mit Method Feeder gefischt werden. Ich selbst habe es nicht so praktiziert, weil mir der Teich dafür einfach zu klein ist, aber ich war erstaunt wie gut das ging. Grund... weil sie es in dieser Form einfach nicht kannten und mehr oder weniger sorglos den Miniboilie im Futterhäufchen einsaugten, sodass jene die das so praktiziert haben doch besser gefangen haben als ich erwartet hatte. Geholfen hat' unterm Strich trotzdem nichts, denn schlußendlich hatte ich knapp aber doch die Nase vorn ;)

  • Super Gerhard- jetzt kenne ich neben dem Karl (er schreibt ja gerne die Bindeanleitungen in einschlägigen Magazinen) einen zweiten Angel Autor! Super Geschichte- ja der Datenschutz war (Gott sei Dank) hier noch nicht so weit.

    Musst zuletzt sehr lachen als mein 18 Jähriger Sohnemann mit einem Briefumschlag und den dazugehörigen "Beschriftungsmethoden" (Adressat, Absender udgl.) kämpfte...lach Whats App Schreiben könnens die Jungen -aber Briefe und Ansichtskarten schreiben da scheitert es :lach:

  • Danke lieber Gerhard für den Rückblick in deine literarischen Anfängen


    habe die Geschichte beim lesen sehr genossen !b-;:thumbup:


    d-;

    LG
    Reinhard


    "Wenn der Lebensraum ausreichend ist, dann wächst jedes Jahr zu, und wenn man das mäßig und bescheiden nutzen will, dann reicht das."


    Stefan Guttmann